Nicht abtauchen und wegdriften, sondern eintauchen und annehmen. Das habe ich einer rastlosen Klientin geraten, die meinte, sie könne sich mit einem Buch schon ganz gut ablenken beziehungsweise darin abtauchen (kurz bevor sie in Tränen ausbrach). Eine typische Krisensituation: überfordert, überwältigt und ohnmächtig.
In einem fremden Buch abtauchen ist leicht. In Ihrem eigenen Buch eintauchen – nicht. Denn darin müssen Sie sich mit sich selbst beschäftigen. Manchmal schonungslos, manchmal liebevoll, und manchmal einfach nur: anwesend sein!
In Krisensituationen, in denen wir das Gefühl haben, umtriebig zu werden, die Kontrolle und den Überblick zu verlieren, ist es besonders wichtig, ruhig zu bleiben. Ein langsamerer Gedankenfluss und ein gutes Körpergefühl sind wichtige Kriterien um aufzuatmen und sich zu sortieren.
1. Atmen Sie
Auf körperlicher Ebene hilft es, uns auf unseren Atem zurück zu besinnen. Im Yoga gibt es zum Beispiel viele schöne Atemübungen, genannt Pranayama.
Eine schöne Aufwärmübung wäre: 20 Atemzüge tief ein und aus zu atmen. Dabei nach dem Einatmen den Atem anhalten und bis drei zählen. Dann ausatmen, anhalten und ebenfalls bis drei zählen.
Gleichen Sie die Atemzüge einander an. Besonders die Anhaltephasen. Zählen Sie mit Ihren Fingern ab. Nach 20 Atemzügen werden Sie deutlich ruhiger und gelöster.
Ein Mensch, den ich Ihnen ganz besonders ans Herz legen möchte, ist der Holländer Wim Hof, auch als Iceman genannt. Sie finden auf YouTube viele gute Videos, die seine Atemübung demonstrieren. Hier finden Sie seine kostenfreie “Miniclass”. Ich nutze diese Technik immer für eine viertel Stunde bei meinem Yoga Unterricht und erhalte tolle Berichte von meinen Schülern. Das autonome Nervensystem und unser Immunsystem werden bei dieser Technik deutlich und medizinisch nachweisbar gestärkt.
2. Rückzug
Auf geistiger Ebene rate ich Ihnen, sich zurückziehen zu können. Ziehen Sie sich dorthin zurück, wo Sie sich ohne Trubel, Diskussionen und unangenehmer Umgebung aufhalten können. Menschen, die in dem Moment Erwartungen an Sie stellen, sollten Sie meiden. Ein deutliches, überzeugtes Nein kann dabei Wunder bewirken. “Entgiften” Sie Ihr Umfeld, indem Sie selbst entscheiden, was Ihnen gerade gut tut.
Das Problem vieler umtriebiger Menschen ist jedoch, die Einkehr und Ruhe auch wirklich aushalten zu können. Und dies wäre der nächste Schritt auf emotionaler Ebene:
3. Halten Sie es aus.
Das aller schwierigste ist es, nichts zu tun. Und mit nichts tun meine ich, alle Aussagen vom Umfeld, aber besonders unser eigenes plapperndes Ego, einfach sein lassen zu können. Es ist wichtig zu verstehen, dass Sie nicht sofort jede Aussage bewerten und beurteilen müssen. Halten Sie die Stille, die nach der Annahme eines Gedanken kommt, aus.
Annehmen können bedeutet nicht, sofort in Nervosität und Tatendrang überzugehen. Das bedeutet nicht, sofort bei sich oder anderen nach Fehlern zu suchen oder sogar die Schuldfrage zu stellen.
Das erzeugt viel Stress und Druck und mündet irgendwann in Selbstmitleid und Selbstablehnung (und einem entnervten, ratlosen Freundeskreis).
Annehmen bedeutet in diesem Fall, einer Aussage oder einem Gefühl in uns mit Ruhe zu begegnen. In dem wir die Aussage oder das Gefühl einfach stehen lassen und erst einmal akzeptieren.
Nichts verändert sich, ohne dass wir es vorher akzeptiert haben. Erst in der Akzeptanz kann sich etwas verändern.
Denn was wollen wir an einem Umstand verändern, wenn wir es vorher nicht als real ansehen und anerkennen?
Ich möchte Ihnen noch einen weiteren Tipp auf den Weg geben:
4. Akzeptieren Sie, dass Sie Fehler machen.
Nichts tötet Kreativität und einen Entwicklungsprozess so sehr wie Perfektionismus. Perfektionismus lässt keine Fehler zu. Wir sind allzu gerne bereit, immer unser Bestes zu geben und immer den Augenmerk auf Fehler zu richten, um sie dementsprechend abzustrafen. Das ist keine Ebene und Atmosphäre, in der wir uns wohlfühlen können um uns weiter zu entwickeln, um Selbstsicherheit zu erlangen und zufrieden zu sein. Ganz im Gegenteil. Das Leistungslevel, das Sie halten möchten, wird Sie ermüden und auswringen.
Ein Schaffensprozess, Kreativität, können wir nur in Gang setzen, wenn wir auch Fehler machen dürfen.
Akzeptieren Sie, dass Sie Fehler machen. Nehmen Sie diesen Umstand wahr und lernen Sie, damit umzugehen.
Akzeptieren Sie auch, dass andere Fehler machen dürfen. Richten Sie nicht sondern schauen Sie dahinter. Meistens finden Sie einen Menschen vor sich, der sein Bestes gegeben hat oder aber aus Unwissenheit sich “fehlerhaft” verhalten hat. Geben Sie ihm die Möglichkeit, sich selbst zu korrigieren. Ohne Zurückweisung oder Ablehnung. Wie würden Sie am liebsten behandelt werden, wenn Sie einen Fehler gemacht haben?
Eine gute Antwort für die Frage, warum wir nicht besser werden, obwohl wir uns permanent damit beschäftigen, ist dieses Video hier. Eduardo Briceño differenziert dabei zwischen zwei “Zonen”. Der Performance und der Learning Zone und warum wir sie beide permanent verwechseln. Es hilft auch Krisensituationen besser zu verstehen und gerade bei Perfektioneritis die eigene Haltung zu Fehlern zu korrigieren.
Einer Klientin riet ich, ihre Fehler offen und mit Stolz auszusprechen und zu kommunizieren. Als würden wir gerade freudige Nachrichten verbreiten. Damit Fehler kein Tabu mehr sind und Schuld, Scham und Selbstjustiz hervorrufen.
Bonus Tipp: Lassen Sie sich helfen
Nicht jede Krise können Sie so meistern. Gerade, wenn Sie mit Ohnmacht und Überwältigung zu tun haben oder vielleicht sogar noch vor einem Scherbenhaufen stehen, ist es schwierig, alleine die stürmischen Passagen zu durchfahren.
Holen Sie tief Luft, spüren Sie in Ihr Herz hinein. Werden Sie weich und offen. Geben Sie in solchen stürmischen Zeiten zu, dass Sie Hilfe benötigen und lassen Sie die Möglichkeit zu, dass Ihnen jemand helfen kann. Hilfe anzunehmen kann einen ganz wunderbaren Prozess von Loslassen anstoßen und Menschen an Ihre Seite holen, die Sie wirklich verstehen und sie durch die stürmischen Passagen hindurchnavigieren. Sie müssen nicht alles alleine meistern. Niemand ist jemals alleine. Wir schotten uns nur gerne ab, aus Angst, verletzt zu werden.
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